Interview zum Umsetzungsstand des BFA 7

Anlässlich der bevorstehenden Erstanwendung von BFA 7 – also der Neuregelung der Bildung von Pauschalwertberichtigungen gemäß HGB – auf Jahresabschlüsse für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2022 haben wir unseren Mitarbeiter Andreas Gänger gebeten, zu den aktuellen Entwicklungen im Umfeld des Standards Stellung zu nehmen. Herr Gänger koordiniert unsere BFA 7-Projekte und stellt dabei die Konsistenz über die Projekte hinweg sicher. Dies betrifft insbesondere die kritischen Themen bei der Umsetzung des Standards. Auf eine Auswahl davon möchten wir im nachfolgenden Interview tiefer eingehen.

Andreas, die Erstanwendung des BFA 7 steht vor der Tür, wie ist aus Deiner Sicht der Stand der Umsetzung?

Sehr unterschiedlich, viele unserer Kunden haben relativ große Projekte aufgesetzt und den Standard als Chance gesehen, auch ihre Risikomessung zu erweitern. Auch hier ist bis zur endgültigen Umsetzung noch einiges zu tun, dennoch denken wir, dass diese Institute gut vorbereitet sein werden.

Andererseits sehen wir auch Institute, die so gut wie keinen Aufwand investieren und ihr bisheriges Vorgehen mit minimalen Anpassungen weiterverwenden wollen. Hier haben wir unsere Zweifel, ob sie mit diesem Ansatz die Anforderungen erfüllen können.

Wie kommt es zu diesen großen Unterschieden in den Sichtweisen auf den Standard bzw. den notwendigen Maßnahmen zu seiner Umsetzung?

Hintergrund dürfte die ausgeprägte Prinzipienorientierung des BFA 7 sein. Der Standard lässt den Instituten große Spielräume bei der Umsetzung, zudem obliegt die Entscheidung über die angemessene Umsetzung des Standards dem Abschlussprüfer und nicht dem Regulator. Wie auch bei IFRS 9 muss sich eine Marktmeinung deshalb erst bilden. Es ist also nicht auszuschließen, dass zumindest anfänglich die Prüfungspraxis nicht einheitlich ist und manche Abschlussprüfer stark vereinfachte Ansätze akzeptieren, während diese von anderen abgelehnt werden. Das hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Resultate.

Was würde Deiner Meinung nach helfen, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen?

Sehr hilfreich sind aus unserer Sicht die ergänzenden Stellungnahmen des IDW. Zwei dieser Stellungnahmen wurden im letzten Jahr veröffentlicht und haben bereits signifikant zur Klärung einiger kritischer Punkte beigetragen. Nach unserem Wissen sind für die zweite Jahreshälfte noch weitere Stellungnahmen geplant, die dann hoffentlich weitere Klarheit bringen.

Andere Punkte werden sich hingegen wohl erst mit der Zeit über die Bildung eines Marktstandards klären oder sind einfach per Definition abhängig von den spezifischen Charakteristika der Institute bzw. ihrer Portfolios. Hierzu würde ich bspw. Aspekte wie die unterstellte Laufzeit bei Geschäften ohne vertragliche Laufzeit oder die Exposureermittlung bei außerbilanziellen Geschäften zählen.

Welche Punkte sind aus Deiner Sicht noch zu klären?

Ein ganz zentraler Aspekt ist sicherlich die Verwendung von Point-in-Time-Modellen. Sowohl die Formulierung im Standard als auch die Parallelen zu IFRS 9 deuten zwar klar auf die Notwendigkeit einer PiT-Anpassung hin, das IDW konnte sich aber bisher nicht dazu durchringen, das auch explizit zu bestätigen. Die Einführung dieser Modelle ist natürlich ein signifikanter Aufwandstreiber und deshalb aus unserer Sicht dringend zu klären.

Was würde passieren, wenn diese Klarstellung nicht erfolgt?

Nun, wenn keine Klarstellung erfolgt, würde das – wie es sich aktuell ja auch schon abzeichnet – individuell je Institut in einer Abstimmung zwischen Abschlussprüfer und Institut entschieden werden. Es besteht dann aber eine erhöhte Gefahr, dass einige der Implementierungen nicht den Anforderungen der Prüfer entsprechen, zudem wäre die Vergleichbarkeit über die Institute hierdurch stark eingeschränkt. Das kann eigentlich nicht im Interesse des IDW sein.

Könnte es Deiner Meinung nach auch sein, dass sich das IDW gegen PiT-Modelle ausspricht?

Das halte ich für nahezu ausgeschlossen. Einerseits wäre es eine deutliche Abweichung von IFRS 9, andererseits würde es dafür sorgen, dass Institute, die über PiT-Modelle verfügen, für die Pauschalwertberichtigungen einen weniger präzisen Ansatz verwenden müssen. Das wäre aus meiner Sicht entgegen der Anforderung des Standards, dass die Ansätze nicht hinter die internen Praktiken des Risikomanagements zurückfallen dürfen.

An dieser Stelle ist es aber auch wichtig zu betonen, dass bei vielen Instituten der BFA 7 zwar aktuell der Auslöser für die Entwicklung von PiT-Modellen ist, die Ermittlung der PWB aber bei weitem nicht den einzigen Anwendungsbereich für diese Modelle darstellt und der regulatorische Druck auch von anderer Seite zunimmt. Zu nennen sind hier bspw. die ökonomische Risikotragfähigkeitsrechnung sowie das interne und regulatorische Stresstesting, aber auch Pricing-Modelle.

Gibt es weitere Punkte, die aus Deiner Sicht der Klärung bedürfen?

Ein weiteres Thema, das bei unseren Projekten regelmäßig zu Diskussionen führt, ist der Anwendungsbereich und insbesondere der Umgang mit gruppeninternen Geschäften. Man könnte hier argumentieren, dass es sich ähnlich wie bei festverzinslichen Wertpapieren nicht um Kreditgeschäft handelt, zudem bestehen die Forderungen teilweise nicht gegenüber Kreditinstituten, sondern Finanzdienstleitungsinstituten. Da diese Positionen aber häufig materielle Exposures darstellen und deshalb auch entsprechende Auswirkungen auf die Höhe der PWB haben, wäre eine Klarstellung aus unserer Sicht hilfreich.

Auch der generelle Umgang mit Leasinggesellschaften ist m.E. an dieser Stelle zu nennen. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Finanzdienstleistungsinstitute sind diese in den Anwendungsbereich gerutscht, man merkt aber doch an einigen Stellen, dass der Standard eigentlich mit einem Fokus auf Kreditinstitute geschrieben wurde.

Was heißt das konkret?

Ausschlaggebend für die PWB gemäß BFA 7 ist grundsätzlich die Bilanz. Das relevante Exposure bestimmt sich also über den in der Bilanz enthaltenen Betrag. Das funktioniert für Kreditinstitute – erweitert um Vorgaben für außerbilanzielle Position – grundsätzlich auch gut und führt zu einer realistischen Abbildung des Risikos.

Für Leasinggesellschaften funktioniert die Buchhaltung aber deutlich anders und es finden sich grundsätzlich nur die aktuell ausstehenden Leasingraten als Forderungen auf der Bilanz. Die Ermittlung der PWB auf Basis dieser Positionen führt nach unserer Einschätzung zu einer Schätzung der PWB, die wenig mit den ökonomischen Risiken zu tun hat. Der tatsächlich materielle Wert auf der Bilanz steckt vielmehr im Leasingvermögen. Dieses fällt aber nicht in den Anwendungsbereich des BFA 7, da es dem Objektrisiko und nicht dem Kreditrisiko unterliegt.

Ein Aspekt, der für die Höhe der PWB von großer Bedeutung ist, ist die Wahl des Ansatzes, also Anrechnungsverfahren, vereinfachtes Verfahren oder Übertragung der Wertberichtigung nach IFRS 9. Was beobachtet ihr hier am Markt?

In unserem Artikel vor etwa einem Jahr haben wir ja aus theoretischer Sicht dargestellt, dass das Anrechnungsverfahren idealtypisch immer zu einer tieferen PWB führen sollte als das vereinfachte Verfahren. Das hat sich auf den Projekten bestätigt, das Ausmaß der Vorteilhaftigkeit hängt aber von der Art der Prämienverrechnung ab.

Welche Möglichkeiten gibt es hier?

Nun, es gibt hier verschieden progressive Ansätze. Der konservativste wäre, die Bonitätsprämie auf Einzelgeschäftsebene und innerhalb der einzelnen Zeitscheiben – also bspw. Jahre oder Monate – zu verrechnen. Im anderen Extrem wird die Bonitätsprämie gesamthaft für das Kreditportfolio ermittelt und mit dem Lifetime Expected Loss verrechnet, dies wiederum scheint uns zu progressiv.

Die Lösung – und so spiegelt es sich auch in den Protokollen der IDW-Sitzung wider – dürfte an dieser Stelle in der Mitte liegen, also die Verrechnung innerhalb homogener Portfolios. Wie genau diese Portfolios abzugrenzen sind, ist aktuell aber noch offen und obliegt den Instituten. Auch hier muss sich ein Marktstandard also erst entwickeln.

Verwendet dementsprechend auch der Großteil der Institute das Anrechnungsverfahren?

Nein, nach unserer Erfahrung nicht. Zwar sind sich die Institute der Vorteilhaftigkeit bewusst, allerdings materialisiert sich diese nur bei Gegenrechnung der Bonitätsprämien. Gemäß den Vorgaben des Standards dürfen diese aber nur gegengerechnet werden, wenn sie auch zuverlässig bestimmt werden können.

Mangels adäquater Pricingverfahren können viele Institute Bonitätsprämien aber entweder gar nicht bestimmen oder sie zumindest ex post nicht sauber von den anderen Komponenten des Zinses trennen. In der Folge bleibt ihnen dann in der Regel nur das vereinfachte Verfahren.

Gibt es auch Institute, welche die IFRS 9 Methodik verwenden?

Grundsätzlich schon, allerdings wird dies erwartungsgemäß nur von den Instituten gemacht, die bspw. für den EBA-Stresstest oder für die Konzernsicht schon zuvor eine IFRS-9-Logik implementiert haben. Hier wird es aber interessant werden, ob die Übernahme der PWB nach IFRS 9 von den Prüfern ohne Weiteres akzeptiert wird, da durchaus Unterschiede zu BFA 7 bestehen. Zu nennen sind hier bspw. der Anwendungsbereich, der Diskontierungssatz oder das Vorsichtsprinzip.

Zum Abschluss noch die Frage, wie geht es über das Jahresende 2022 hinaus weiter? Welche Aufgaben stehen den Instituten bevor, nachdem sie den Standard implementiert haben?

Das hängt natürlich davon ab, was die Institute schon im Rahmen der Projekte gemacht haben und wie ihr interner Zeitplan aussieht. Da die Komplexität der Methodik im Vergleich zur bisherigen PWB-Ermittlung zugenommen hat, wird für Q1 das Reporting angepasst und vermutlich ausgeweitet werden müssen. Zudem muss die neue Risikovorsorgeermittlung in die Prozesse integriert werden. Hier sind bspw. die Kreditvergabe und die Kapitalplanung im Rahmen der normativen Perspektive zu nennen.

Abschließend anzuführen sind zudem die Konzeption und die Durchführung einer Validierung der Methoden und Prozesse zur Ermittlung der PWB. Teilweise wird bereits im Rahmen der Projekte begleitend eine Initialvalidierung durchgeführt, viele Institute warten damit aber auch bis nach dem Go-Live. Wir empfehlen unseren Kunden hier grundsätzlich, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen, um später Überraschungen zu vermeiden.

Andreas, vielen Dank für das Gespräch und den Überblick über den aktuellen Stand zur Umsetzung des BFA 7!

Ansprechpartner/in
Andreas Gänger
Senior Manager