Im Mai 2020 veröffentlichte die EZB einen Leitfaden mit ihren Erwartungen zum Umgang mit Klima- und Umweltrisiken im Risikomanagement und der Offenlegung. Der Leitfaden der EZB ist im Kontext des EBA Action Plan aus dem Dezember 2019 anzusiedeln, in dem die fünf Eckpfeiler der regulatorischen Initiative auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Finanzwirtschaft dargestellt werden. Diese umfassen neben einem regulatorischen Monitoringframework und Vorgaben für die Offenlegung auch eine gemeinsame Taxonomie sowie die Erarbeitung von Vorgaben für die Säule I (Mindestkapitalanforderungen) und die Säule II (ICAAP und SREP). Der Leitfaden der EZB fällt in diesem Zusammenhang in den Bereich der Säule II-Maßnahmen. Ähnliche Anforderungen finden sich auch in dem im Dezember 2019 veröffentlichten „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ der BaFin, sodass sowohl SSM-Banken als auch Banken unter nationaler Aufsicht gleichermaßen betroffen sind.
Den Kern des EZB-Leitfadens bilden 13 formulierte Erwartungen, welche sich wie folgt gliedern lassen:
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein zentraler Aspekt die Festlegung einer konsistenten Taxonomie mit einheitlichen Definitionen und klaren Abgrenzungen der Risiken und Begrifflichkeiten. Im Zusammenhang mit Klima- und Umweltrisiken betrifft dies insbesondere die Festlegung der Risikokomponenten selbst, die Abgrenzung im Themenfeld der sog. ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance) und das Zusammenspiel mit anderen Risikoarten, was mit Blick auf die Einbindung in das Risikomanagement besondere Bedeutung erlangt. Anhaltspunkte für eine Abgrenzung bzw. Einordnung von Umweltrisiken bietet bspw. das bereits angesprochene „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ der BaFin aus dem Dezember 2019. Einen Überblick gibt die nachfolgende Darstellung:
Nach Festlegung einer gemeinsamen Sprache bietet sich für die Institute im Einklang mit den Anforderungen der EZB die Durchführung einer umfassenden Risikoinventur mit Fokus auf potentielle Einflüsse durch Umweltrisiken an. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Umweltrisiken selten als eigene Risikokategorie betrachtet werden, sondern die aktuelle Auslegung diese vielmehr als Teil bestehender Risiken begreift. Im Rahmen der Inventur wird also untersucht, ob durch die zunehmenden physischen und transitorischen Risiken zusätzliche „Anfälligkeiten“ des Instituts existieren, die im Rahmen der Strategie und des Risikomanagements berücksichtigt werden müssen. Ein Beispiel hierfür können bspw. Immobiliensicherheiten in Gebieten mit Flutrisiken oder Portfoliokonzentrationen in CO2-intensiven Industrien sein. Dem gegenüber kann natürlich auch eine „Chanceninventur“ stehen, welche mögliche Chancen und Wettbewerbsvorteile aus dem Klimawandel bzw. der Veränderung der Umwelt identifiziert.
In Abhängigkeit der Resultate der Risikoinventur sind verschiedene Maßnahmen möglich, die auf das individuelle Risikoprofil des Instituts abgestimmt werden müssen:
Strategie und Risikoappetit: Eine Maßnahme, die insbesondere bei erheblicher Betroffenheit in bestimmten Bereichen des Instituts sinnvoll erscheint, ist die Berücksichtigung der identifizierten Sachverhalte in der Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts. Mögliche Handlungsweisen können das Zurückfahren von Neugeschäft oder sogar die aktive Reduktion des Exposures gegenüber bestimmten Branchen oder Produkten sein. Um den Erfolg dieser Maßnahme messbar zu machen, ist die Ableitung entsprechender Key Performance Indicators (KPI) notwendig, die je nach Tragweite der Maßnahme auch im Risk Appetite Framework (RAF) zu verankern sind und regelmäßig zu überwachen und zu berichten sind.
Risikomanagement und Kreditvergabe: Eine komplementäre Maßnahme ist die Berücksichtigung der identifizierten Risikotreiber aus dem Bereich Klima- und Umweltrisiken im Risikomanagement und bei der Kreditvergabe (siehe hierzu auch EBA/GL/2020/06). Mit Blick auf Kreditrisiken, die typischerweise am stärksten betroffen sein dürften, sind hierbei verschiedene Ansätze zu diskutieren, die von einer Berücksichtigung im Rahmen von Zusatzfragen des Kreditvergabeprozesses bis hinzu einer Verankerung in den Ratingsystemen über entsprechende Faktoren oder eine Sicherheitsspanne (MoC) der Kategorie B reichen. Da aufgrund des langfristigen Charakters der Klima- und Umweltrisiken die historische Evidenz in vielen Bereichen noch begrenzt und die Stabilität der Wirkungszusammenhänge fraglich ist, dürfte eine rein statistische Abbildung zum jetzigen Zeitpunkt in vielen Fällen schwierig sein. Alternativen sind die Berücksichtigung in qualitativen Ansätzen, welche der Einschätzung von Experten ein höheres Gewicht einräumen.
Stresstesting und Szenarioanalysen: Insbesondere aufgrund der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Schwierigkeiten bei der angemessenen Abbildung von Klima- und Umweltrisiken erscheint die Verwendung von Stress- und Szenarioanalysen als geeignetes Mittel. So erlaubt die Flexibilität des Instruments die Berücksichtigung der langen Zeithorizonte und erheblicher Experteninputs sowie einen individuellen Zuschnitt auf die zu untersuchenden Bereiche. Herausforderungen bestehen an dieser Stelle insbesondere bei der Übersetzung der Klimaszenarien – die typischerweise in Grad der Erderwärmung über einen gewissen Zeitraum angegeben werden – in Auswirkungen auf Makro- bzw. Risikoparameter. Zur Reduzierung der diesbezüglichen Unsicherheit bieten sich ein externes Benchmarking sowie die ggf. vereinfachte Betrachtung einer Reihe von Szenarien mit unterschiedlicher Schwere und verschiedenen Ansätzen für die „Übersetzung“ an.
Die nachfolgende Grafik fasst die vorhergehend dargestellten Aspekte zusammen und zeigt den schematischen Aufbau einer ganzheitlichen Strategie zur Abdeckung von Klima- und Umweltrisiken im ICAAP auf. Die Eckpfeiler des Umgangs mit Umweltrisiken sowie die „Scope“-Kennzahlen des Instituts müssen dabei im Rahmen der Offenlegung für Investoren und weitere Stakeholder nachvollziehbar dargelegt werden.
Obwohl die von der EZB formulierte Erwartungshaltung grundsätzlich mit Veröffentlichung der Leitlinien gültig ist, ist es wichtig, einen langfristigen und ganzheitlichen Ansatz für den Umgang mit Umweltrisiken zu konzipieren und kontinuierlich zu verfolgen. Wir begleiten Sie gerne auf diesem Weg – sprechen Sie uns an!